Von der Hölle ins Paradies


13. November 2017:

Was ist eigentlich die Hölle? Meine persönliche Hölle ist im Moment, dass man mich meiner Frau beraubt hat. Alleine stehe ich vor der Grenze nach Turkmenistan. Ich kann es immer noch nicht begreifen, dass ich ein Transitvisum für dieses Land bekommen habe, Petra jedoch nicht. Als wir im turkmenischen Konsulat in Bischkek mit dieser Tatsache konfrontiert wurden, wollte ich spontan auf mein Visum verzichten. Was hat es auf solch einer Reise für einen Sinn, wenn einer von uns in ein Land reisen darf, der andere jedoch nicht?

Doch das hätte auch eine völlige Änderung unserer Route bedeutet: Entweder durch Kasachstan und Russland zurück nach Europa, oder über das Kaspische Meer nach Aserbaidschan. Beide Alternativen hätten einen dramatischen Einschnitt in unsere Abenteuertour und auch in die Reisekasse bedeutet. Petra war es schließlich, die mich überzeugte, mein Visum zu akzeptieren und den Expedi alleine über Turkmenistan in den Iran zu fahren. 1.000 Kilometer und zwei Grenzen alleine - kein schöner Gedanke. Während Petra sich fünf schöne - aber einsame - Tage in Dubai macht, beginnt für mich der Trip Richtung Hölle, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes.

Schon als ich Richtung Grenze fahre, bemerke ich, dass weder Hupe noch Licht am Auto funktionieren. Ich hasse es, wenn irgendetwas mit der Elektrik ist! Damit kenne ich mich überhaupt nicht aus. Doch ich muss den Fehler finden, den mit großer Wahrscheinlichkeit werde ich in Turkmenistan in die Dunkelheit hineinfahren. Gut, dass mir mittlerweile unser Fahrzeug so vertraut ist, denn so findet sich die Ursache: eine kleine Schmelzsicherung im Kabel, das zu Batterie führt. Nichts, was man in der Werkstatt um die Ecke bekommt und auch nichts, was man unbedingt als Ersatzteil mit sich führt. Doch irgendwie kriege ich es hin.

Dafür fällt mir als nächstes auf den teils katastrophalen Straßen in Turkmenistan der rechte Außenspiegel ab: Glatter Durchbruch! Jetzt könnte ich ein wenig Beistand gut gebrauchen. Ich fühle mich so einsam!

Doch was ist all das gegen die wahre Hölle. Vor mir glüht der Himmel. Nicht von der untergehenden Sonne, sondern weil er von einem flammenden Inferno aus dem Wüstenboden erleuchtet wird - vom Darvaza Gaskrater. Dieser entstand in den 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts, als die Sowjets in der Karakum-Wüste nach Gasvorkommen bohrten. Tatsächlich fanden sie auch ein große Gasblase. Doch als sie ein Loch in Erdreich bohrten, stürzte das Gestein über einer riesigen Höhle zusammen und ließ nun das Methangas aus zahlreichen Erdöffnung im Krater in die Atmosphäre entweichen. Was tun? Kurzentschlossen entzündeten die Sowjets das ausströmende Gas, um es in wenigen Tagen abzufackeln. Doch aus Tagen wurden Jahre, aus Jahren Jahrzehnte - und auch heute brennt es lichterloh und glühend heiß im größten Gasgrill der Welt. Ein faszinierendes Schauspiel!

Doch genau dieses Gas, das sich überall im Boden Turkmenistans versteckt, ist heute auch Quelle des großen Reichtums dieses Landes. Dieser Reichtum wird fast schon dekadent in der Hauptstadt Ashgabat präsentiert: eine Großstadt komplett erbaut aus weißem Marmor. So muss wohl das Paradies aussehen.

Oder liegt das Paradies vielleicht doch in einer kleinen Jurte? Denn genau in einer solchen Jurte, die stellvertretend für das Nomadentum in der Mongolei und Zentralasien steht, verbringe ich meinen letzten Abend mit wunderbaren Freunden aus Turkmenistan. So versöhnt mich am Ende doch noch dieses erstaunlich eindrucksvolle und gastfreundliche Land mit seiner leider viel zu regressiven Visumspolitik.





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